Jüdische Gemeinde

Eine Vielzahl von Spuren

Das Judentum erlebte auch in Rothenburg eine wechselvolle Geschichte

In Rothenburg ob der Tauber bestand bereits seit dem 12. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde mit allen Einrichtungen wie Friedhof, Synagoge, Mikwe und Gemeindehaus. Im Jahre 1180 wird der erste Rothenburger Jude namentlich genannt. Im 13. Jahrhundert lebten 500 bis 600 Juden in der Stadt. Der geistige Führer des damaligen Judentums in Deutschland, Rabbi Meir ben Baruch (um 1220 bis 1293) hatte viele Jahre in Rothenburg seinen Wohnsitz. Doch auch in Rothenburg ist das Verhältnis zu jüdischen Mitbürgern, wie in vielen Städten und Gemeinden, immer wieder von Missverständnissen und grausamen Übergriffen geprägt. Bei der sogenannten „Rindfleisch-Verfolgung“ im Jahre 1298 wurden über 450 Juden der Stadt ermordet, ihre Leichen auf dem Friedhof verbrannt. Einige Jahre später lebten wieder Juden in der Stadt. Im Zusammenhang mit den Pogromen der Pestzeit wurde in den Jahren 1349 und 1350 die neu entstandene Gemeinde erneut vernichtet.

Doppelportale, die wie riesige Gebetstafeln aus Stein aussehen, ein Gebäude, das im Keller über eine Mikwe verfügt – in der „Judengasse“ erinnern noch heute etliche Häuser an ihre früheren Bewohner. Ein paar Schritte weiter, am „Schrannenplatz“, wo sich ab dem Jahr 1407 die Synagoge des zweiten Jüdischen Viertels befand, sind an einer Wand verwitterte Buchstaben nur schwer zu entziffern.Aber nicht nur in der Mauer des Rabbi Meir-Gärtchens, beim Weißen Turm, wo einst ein Judentanzhaus stand, kann der historisch Interessierte heute alte jüdische Grabsteine entdecken, sondern auch in der Judaica-Sammlung des Reichsstadtmuseums.

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zogen einige Juden wieder in der Stadt zu. Das alte Wohnviertel im Bereich der Kapellengasse blieb ihnen für eine neue Ansiedlung verschlossen. Dafür konnten sie im Bereich einer Auffüllung des Stadtgrabens vor der alten Stadtmauer Wohnungen von der Stadt mieten. Es handelte sich bei der im Zuge dieser Ansiedlung entstehenden „Judengasse“ um kein Ghetto, da hier auch christliche Familie lebten. Eine Synagoge konnte sich die Gemeinde im Jahre 1407 am Rande des jüdischen Friedhofes bauen. Nach der Vertreibung der Rothenburger Juden wurde die Synagoge am 8. Januar 1520 geplündert und im April dieses Jahres als „Kapelle zur reinen Maria“ geweiht. Im Jahre 1525 wurde sie im Bauernkrieg zerstört. Ihre Mauern sind im Jahre 1560 eingerissen worden. Die Steine fanden als Baumaterial für die neue Friedhofskirche vor dem Rödertor Verwendung.

Im Jahre 1520 wurde es Juden schließlich gänzlich verboten, die Stadt Rothenburg zu betreten. Die, die noch dort wohnten, mussten fliehen. Erst 350 Jahre später, im Jahre 1870 siedelten sich wieder Familien mit jüdischer Abstammung in Rothenburg an. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts flammte, angetrieben durch die Hetzpropaganda der Nationalsozialisten, erneut der Antisemitismus auf. Noch vor der Pogromnacht im November 1938 wurden alle Bürger jüdischer Abstammung aus Rothenburg vertrieben. Binnen weniger Jahre hatte Rothenburg keine jüdische Gemeinde mehr.

Eine Vielzahl von Spuren und historischen Zeugnissen aus Jahrhunderten jüdischer Geschichte sind der Stadt erhalten Über vierzig Jahre lehrte hier der berühmte Talmud-Experte Rabbi Meir ben Baruch von Rothenburg. Er gründete am Kapellenplatz eine Jeschiwa, eine Schule für Talmud-Studien, die aus ganz Europa Schüler anlockte. An den Meir von Rothenburg erinnert eine Bronzetafel am Kapellenplatz Nr. 5. Um den Kapellenplatz herum befand sich auch das Zentrum jüdischer Alltagskultur mit Synagoge, Festsaal und Gebrauchsgegenständen für den täglichen Bedarf. Das Viertel hielt mehreren Verfolgungswellen stand, es wurde immer wieder neu aufgebaut. Der Festsaal Ecke Judengasse / Weißer Turm, das sogenannte „Judentanzhaus“, erinnert noch an die Gemeinde. Sein Gebäude ist genau wie das Rabbi-Meir-Gärtchen ein Nachbau. In die Mauern des Gärtchens sind jüdische Grabsteine eingelassen, allesamt Repliken.

Die vom Fachwerk geprägte Judengasse trägt ihren Namen seit 1371, hier lebten Juden und Christen Tür an Tür. Sie gilt als „einzige noch erhaltene spätmittelalterliche Judengasse in Europa“. Im Haus Nr. 10 ist ein – öffentlich nicht zugängliches – jüdisches Ritualbad, Mikwe genannt, erhalten. Noch immer ist es mit Grundwasser gefüllt. Seinen Nachbau finden Sie ebenfalls im Reichsstadtmuseum. Darüber hinaus sind wertvolle Ritualgegenstände, ein Siegeltypar der jüdischen Gemeinde von 1410, eine Backofen-Krücke und ein Chanukkaleuchter aus Eisenblech zu sehen.

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